Artist Statement

Ich fühle mich nur im direkten Kontakt mit der Natur lebendig. Deshalb stehen in meiner Arbeit Lebenskreisläufe, das menschliche Dasein sowie dessen Verhältnis zur Natur und urbanen Räumen im Mittelpunkt. Die Wertschätzung all dessen, was uns umgibt, sowie die Vergänglichkeit als willkommener Prozess tiefgründiger Schönheit sind für mich dabei wichtige Kriterien.
Was ich zum Arbeiten brauche - Halbzeuge, Material, Situationen und zuweilen fertige „Bilder“ - finde ich überall: auf Reisen und in meinem Alltag. Aus vorgegeben Dingen und Situationen etwas zu schaffen, ist für mich die größte Inspiration. Zugleich ist es eine Befriedigung, etwas Vorhandenes weiter zu verwenden und im günstigsten Fall Neues daraus zu schaffen.
Situationen, Dinge oder Menschen mit den lesbaren Spuren gelebter Zeit rücke ich (wieder) in den Fokus. Wider unseren Zeitgeist in dem jeder und alles jung, perfekt und unverbraucht sein soll.

Meine Fotografien sind vorgefundenen Situationen oder ich begleite Prozesse still mit der Kamera. Alle Aufnahmen sind einmalige Belichtungen und entstehen ausschließlich mit vorhandenem Licht sowie i. d. R. aus der freien Hand.

Immer wieder forsche ich auch seit Anbeginn meiner künstlerischen Arbeit an gestalterischen Konzepten mit Tierknochen sowie deren handwerklicher Umsetzung. Ich löse sie aus ihrem Kontext, kombiniere sie zu neuen Formen oder mit artfremdem Material. Ich werte dieses Knochenmaterial, was gemeinhin als abschreckend und negativ empfunden wird, ästhetisch auf. Es wird wieder in den Lebenskreislauf eingefügt, sichtbar gemacht, ihm der Schrecken genommen. Darüber hinaus wird eine sachliche Betrachtung der Vergänglichkeit ermöglicht.

petra lehnardt-olm, 2023

Zeugen der Gründerzeit. Vergangene Industriekultur in Reinickendorf.
Dr. Ute Pothmann, 2021

Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv (BB-WA) eröffnete mit Unterstützung zahlreicher Firmen und Institutionen am 18. August 2021 die Ausstellung »Arbeitsspuren – Lebensspuren« zur Reinickendorfer Industriekultur. (...) Die Schau umfasst etwa 70 Fotos von Lehnardt-Olm, davon zwei Dutzend im Großformat. Im Vordergrund steht die Materialität: Ziegel, Glas, Holz und Metall. Die kleinen Bilder zeigen riesige Produktionshallen von innen und Fabrikgebäude von außen; die Architekturfassaden und die Hallen kommen frisch saniert und aufgeräumt daher. Die großformatigen Bilder hingegen zeigen die Details; hier sehen wir die Spuren der Zeit, der Produktion und der Arbeit – Korrosion, Verbranntes oder Abgeblättertes. Eine besondere Vorliebe hat die Heiligenseer Künstlerin für Spiegelungen: im Fensterglas steigen Wolken auf, wachsen Grünpflanzen und zeigen sich benachbarte Gebäudeteile. Im Durchdringen von Innen und Außen verschränkt sich die Vergangenheit der über 100 Jahre alten Architekturen mit der Gegenwart. Lehnardt-Olms Arbeiten sind Dokumentation und Kunst zugleich. Sie ermöglichen viele Zugänge, ob über die Farbe, die Form oder die grafische Gestaltung: die vielen rötlich-braunen Tonabstufungen der Ziegel, da ein grün gestrichenes, dort ein gelb gestrichenes Rohr, hier ein rot lackierter, dort ein blau lackierter Metallträger, das milchige Weiß der kleinteiligen Dachfenster, die zusammengesetzt große helle Dachflächen ergeben, die ungezählten längs und schräg und quer verbundenen Metallstreben unter den Hallendächern, quadratische, dreieckige und zylindrische Bauformen. Die Fotografin hat das Poetische, das Verträumte, aber auch das Nachdenkliche aufs Papier gebannt. (…) Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, Texte zu den zwölf ausgewählten Firmen bzw. den 15 ausgewählten Architekturobjekten zu schreiben. (…) Das Quellenmaterial zu diesen Firmen wird im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv, Eichborndamm 167, gesammelt, gesichert, aufbereitet und der Öffentlichkeit für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt.

Dr. Ute Pothmann
 Auszug aus "Schattenwelten" des Berliner Unterwelten e.V., Berlin, 2021

Letzte Tage mit Laura
Ricarda Vinzing, 2020

Die verschiedenen Facetten des menschlichen Daseins sowie die Beziehung zwischen dem Mensch und seiner Umgebung stehen in den fotografischen Arbeiten von Petra Lehnardt-Olm im Zentrum, wobei das Interesse der Künstlerin sowohl der natürlichen Umwelt als auch dem städtischen Raum gilt. Mit ihrer Vorliebe für spiegelnde und reflektierende Oberflächen erzeugt die Fotografin vielschichtige und ungewöhnliche Bildstrukturen. Die in der Ausstellung erstmalig präsentierte Portrait-Serie „Letzte Tage mit Laura“ ist eine intime und berührende Auseinandersetzung mit dem Sterben und zugleich eine Hommage an das Leben.

Ricarda Vinzing
 Berlin, 2020

Schwemmland
Dr. Hans-Jörg Wilke, 2019

Die im Rahmen des 27. Internationalen Landschaftspleinairs 2018 inszenierten Ansichten der Künstlerin Petra Lehnardt-Olm dokumentieren die Symbiose von Mensch und Natur mit Hilfe der Fotografie. Jedes ihrer Bilder offenbart anschaulich die Fragilität von Natur und Mensch, wobei die Nacktheit der Körper in ihren Werken diese Verletzlichkeit unterstreicht. (...) Mögen die Fotografien dazu animieren, sich dieser einzigartigen Landschaft im unteren Odertal mal aus einer völlig ungewohnten Perspektive zu nähern.

Dr. Hans-Jörg Wilke
Nationalpark Unteres Odertal, 2019

ÜBERFLUSS - IM FLUSS
Christian Köckeritz, 2018

Die mittelgroßen Pigmentdrucke bestechen durch eine fast unwirkliche Fokussierung. Dem Betrachter wird es schwer fallen sich zu entscheiden, ob die Wasseroberfläche das Motiv oder ein Mittel zum Zweck ist. Licht und Schatten, Bewegung und Stillstand, Spiegelung und Reflexion: Komponenten, welche gepaart mit strengen Bildausschnitten eine hervorragende Synergie zwischen Figürlichkeit und Abstraktion erzeugen. Die Werke Lehnardt-Olms laden nicht zu einer Erholung im kühlen Nass ein, sondern führen den Betrachter in eine eigene, oft vielleicht unausgesprochene, Wirklichkeit. Die ausdrucksstarke, gespiegelte und verzerrte, gar aufgelöste, Realität, findet ihre Berechtigung und Bedeutung in der Anerkennung als Kunstfotografie. Lehnardt-Olms Werke sind das deutsche Pendant zu den Werken der amerikanischen Malerin Alyssa Monks.

Christian Köckeritz
Fürstenwalde, 2018

BERLIN
Torsten Kelch, 2018

… London, Paris, New York
Ich will mich vergleichen.
Manchmal folge ich den Vorbildern.
Ich verändere mich.
Mein Standpunkt geht perdu.
Zweifel
Unruhe
Anpassen hilft beim Leben.
Die Änderungen gehören dazu.
Geschichte entsteht.
Menschen machen das.
Ruhe
bewahren

Torsten Kelch zu der gleichn. Fotoedition
Berlin, 2018

BERLIN
Claus Menzel, 2018

An Warnungen hat es nie gefehlt: Wie wir uns die Welt denken und wünschen, hänge zwar, so etwa der Sokrates-Schüler Platon vor knapp zweieinhalb Jahrtausenden, entscheidend von unseren Erfahrungen ab. Tatsächlich aber verberge sich hinter dieser nur scheinrealen Welt noch eine andere, viel wahrere Welt vernünftiger und stabiler Ideen und an welcher wir uns nun orientieren sollten, sei durchaus nicht sicher. Was wir wahrzunehmen glauben, belehrten uns ein paar Jahrhunderte später die englischen Denker George Berkely, John Locke und John Steward Mill, liefere uns nämlich keineswegs auch nur annähernd objektive Informationen über die Wirklichkeit sondern höchstens ein paar Hinweise auf unsere eigenen Befindlichkeiten. Aus Einzelbeobachtungen, bemerkte schliesslich der Gesellschaftswissenschaftler Karl Popper, zeitweilig die philosophische Allzweckautorität der deutschen Sozialdemokratie, lasse sich sicheres Wissen über was auch immer sowieso nicht gewinnen.
Wo er Recht hat, hat er Recht. Und klar damit ist wohl, dass wir nicht alles, was uns als harte Wirklichkeit und damit so gern als alternativlos verkauft werden soll, brav zu akzeptieren haben. Sind unsere Augen, unsere Ohren wirklich so zuverlässige Instrumente der Erkenntnis, dass wir den Botschaften, die sie uns vermitteln, einfach glauben dürfen? Es muss doch triftige Gründe haben, wenn hier einer „seinen Augen nicht traut“, dort einer „nicht recht zu hören“ meint. Wenn der Generalfeldmarschall der preussischen Staatsphilosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegel knapp dekretiert, das Wirkliche sei immer auch das Vernünftige, besteht in den Zeiten von Fake News und Donald Trump fraglos dringender Erklärungsbedarf.
Es stimmt: Wir sehen das Bild einer Strassenbahn. Beispielsweise. Rein phänomenologisch entspricht diese Strassenbahn bis in die Details hinein genau jener Idee, die wir uns nach Platons Rezept von einer Strassenbahn machen. Allerdings verbindet sich mit dem Anblick dieser Strassenbahn sofort der Gedanke an ... ja, an was nicht alles? An eine bekloppte Verkehrspolitik, Staus auf den Strassen, Fahrpreise, Stress, Abgase – und natürlich die Düsseldorfer Rheinbahn. Linie 13, die den 16jährigen Linksaussen damals zum Training bei Fortuna am Flinger Broich brachte. Vor ungefähr sechs Jahrzehnten. „Things aint what they used to be.“ (Keith Jarrett). Gewiss. Und in welcher der Welten Platons sind wir jetzt?
Oder: Da sitzt ein Eisbär. So eine Art Pu, bloss eben mit weissen Löckchen und ein bisschen grösser als im Buch. Ein Treffen mit diesem liebenswert-lebensweisen Bonvivant haben wir uns doch sehnlichst gewünscht – als wir noch glaubten, den Graben zwischen den Geschichten hier und der Geschichte dort ohne jeden Anlauf überspringen zu können. Und nun sitzt er hier, hinter irgendeiner Glasscheibe, in der sich eine Wirklichkeit ohne alle Träume, Märchen, Wünsche oder Ernst Blochs Nochnicht spiegelt. Was, bitte, ist jetzt wahr?
Auf diesem Spielplatz könnten meine Enkel spielen, in diesem Prunksaal ein Ober frische Austern servieren zu einem Schlückchen eisgekühltem Champagner. Und auf diesen Schienen rollt nicht die Berliner S-Bahn von Wannsee nach Oranienburg, da fährt der „Train Bleu“ um Mitternacht von der Gare de Lyon in Paris und bringt mich zur schönen Geliebten an die Cote d’Azur. – Zuweilen sind Bilder auch Symptome der Sehnsucht, der Hoffnung. Dann zeigen sie uns nicht nur, was ist. Sondern auch, was sein könnte, sollte, müsste. Dafür gab es einst, als das Wünschen noch geholfen hat, die Zauberspiegel. Wie bei Schneewittchen oder neulich erst in „Sofies Welt“. Die Surrealisten wollten uns die Welt hinter der Welt zeigen und malten schmelzende Uhren, Halbmonde im Geäst der Bäume, schwimmende Häuser.
Plötzlich, und gar so plötzlich doch auch wieder nicht, verschwinden Grenzen. In welcher all dieser möglichen Wirklichkeiten man sich jetzt zurecht zu finden hat, weiss mit letzter Sicherheit niemand mehr zu sagen. Der Vogelkäfig ist leer, die Tür steht offen, „Hansi“ ist davon geflogen. Wirklich? Oder wartet er nur auf dem nächsten Ast, weil er uns den Weg ins „Nimmerland“ zeigen möchte, zu Peter Pan und Captain Hook?
Keine sechs Monate nach ihrer Rückkehr aus dem Wunderland reiste Alice, begleitet von zwei Katzen, in die Welt „hinter den Spiegeln“. Da, vermutete sie ganz mit Recht, gab es noch eine andere Wirklichkeit, und dass sie sich am Ende gar nicht mehr daran erinnert, wer hier eigentlich wen erträumt, sollte niemanden überraschen und ist auch nicht so wichtig. Alice war neugierig auf die Wahrheit hinter den Wirklichkeiten und machte sich auf die Suche.
Das können wir auch.

Claus Menzel zu der gleichn. Fotoedition
Berlin, 2018

BACKSIDE
Christel Gebel, 2017

Die Blätter dieses Kalenders zeigen uns vielfältige (menschliche) Rückseiten, meist inmitten von Natur.
ZuRückSicht – ich gehe zurück, auf jeden Fall zurück hinter jenen Punkt in unserer Geschichte, der mit seinem „Macht euch die Erde untertan“ der jüdisch-christlichen Tradition das Dilemma markiert: die Gegenüberstellung, das Auseinanderdividieren von Mensch und Natur, der Mensch als aktives Subjekt unterwirft und beherrscht die passive Natur, das Objekt. Und davor? Wir finden Kulturen, in denen die Menschen sich eins und verbunden wussten mit dem Subjekt Natur, ihre Teilhabe und Abhängigkeit deutlich spürten; Menschen, die im „weihnachtlichen“ Ritual des Grüns in den Häusern und des Anzündens von Lichtern die Natur baten, ja beschworen, wieder hell und lebendig zu werden, die im „österlichen“ Hasen und Ei die Fruchtbarkeit der Natur vorwegnahmen und feierten.
Die Natur als Subjekt? - Etwas, das wir heute gerade noch denken, aber nicht mehr empfinden können.
Rückkehr? - Aber hier, in diesen Bildern, da scheint es auf – dieses In- und Miteinander von Mensch und Natur, die Lebendigkeit, die sich daraus gewinnt, dass wir in etwas sein dürfen und nicht gegen etwas kämpfen müssen. Wir passen uns wieder ein, werden Teil von Formen und Licht. Und es ist der Körper, das was Natur ist am Menschen, der vor dem sterilen Hintergrund des Teppichs pure Schönheit ausstrahlt; und er ist es, der mit seinen Rundungen sich die tote Form anverwandelt und sie so lebendig macht.
Die Rückseite der Geschichte der Sieger ist die Leichtigkeit, die sich aus unserer Verbindung mit der lebendigen Natur ergibt. Die Rückbesinnung auf das, was Natur ist an uns, versammelt den Blick auf Wesentlichem, erdet uns, macht uns widerständig gegen allzu strenge Ordnung.

Christel Gebel
Reitland / Wesermarsch, 2017

BACKSIDE
Dominik Bender, 2017

Wofür hat man einen Rücken? Wozu ist der gut? Was kann man mit ihm machen? Was kann man mit ihm tun? Eigenartige Fragen? Vielleicht, jedenfalls erhielt ich von meinen bevorzugten Auskunftgebern wieder einmal einige ungewöhnliche Antworten:
„Wenn man zum Beispiel einen Rucksack hat, dann muss man aufpassen, dass der Rücken und die Wirbelsäule nicht kaputt gehen. Und man braucht den Rücken, um zum Beispiel im Notfall nicht umzukippen. Um aufrecht zu stehen, also nicht nur im Notfall. Mit einem Rücken kann man sehr gut andere Leute verführen. Und ein Rücken ist dazu da, dass die Innereien nicht nach hinten wegfallen. Der Rücken ist dafür da, dass man nicht so schief ist und auch nicht so krumm läuft. Der Rücken beherbergt die Wirbelsäule und die Rippen, welche die Eingeweide zusammenhalten. Ohne Rücken kann man nicht existieren. Wenn der Rücken nicht gerade ist und die Wirbelsäule, dann hat man ein Problem. Dann muss man ein Korsett tragen. Also der Rücken ist dafür da, dass man immer gerade sitzt, dass man mit dem zusammen auch gerade laufen kann und dass der zum Einkaufen geeignet ist. Ein Rücken ist auch dafür da, dass man den immer hat. Und dafür, dass man mal ein kleines Kind auf ihm transportieren kann, falls man mal Pferd spielen sollte. Der Rücken ist wichtig, wenn man sich auf den Bauch drehen will; das ginge ohne Rücken nicht.“
„Wer bist du? Woher kommst du? Was willst du hier? Hast du dich verlaufen? Warum antwortest du nicht? Kannst du nicht sprechen? Du kannst hier nicht bleiben. Du kannst hier nicht sein.“
Auch dieses Mantra ist mir wieder eingefallen, als mir während eines Jahres zwölf Frauen über den Weg gelaufen waren oder vielmehr ich ihnen. Wobei sie ja bis auf den Wipfel des Baumes oder in den (brennenden) Wald hinein einen Weg schon längst nicht mehr hatten. Und vermutlich hat keine von ihnen meine Fragen überhaupt gehört. Sie waren und blieben mir alle abgewandt, verheißungsvoll stumm, ohne Antlitz, ohne Gesicht. Eine jede durfte ich einen ganzen Monat lang fast schamlos betrachten. Ihr Verharren oder ihre Flucht. Eine durchaus erotische Kontemplation, vor allem dann, wenn ein paar Haare oder mal ein Fuß mit ins Spiel kamen. Und die Hintern drängen sich ja per definitionem sowieso immer vor. Währenddessen waren sie mit ihrer Körperverschmelzung beschäftigt, ihrer Elementwerdung, als sollten sie zum Zeichenträger werden für die Zuschreibung des Tierkreises zu den Grundkonsistenzen der Natur.
Bei den Samurai gilt die Unversehrtheit des Rückens als Beweis für den Mut einer Kämpferin. Ein Rücken voller Narben zeichnet den Feigling aus. Auch in dieser Hinsicht bin ich sehr gespannt auf das nächste Jahr, in dem sich die Frauen alle umwenden werden, um vielleicht ein paar mutige Worte mit mir zu wechseln über die Erde, über das Wasser, über das Feuer oder die Luft.
Ich selbst bin Wassermann.

Dominik Bender
Berlin, 2017

Oberflächen
Patrick Brakowsky, 2017

In ihrem "Sahara" betitelten Foto gelingt es Petra Lehnardt-Olm dem Thema Oberflächen eine spannende Mehrdimensionalität zu verleihen. Sie zeigt die Verschmelzung von Sand mit einem menschlichen Gesicht. Bis ins kleinste Detail ist der männliche Kopf mit Sand bedeckt. Einer Skulptur oder Büste gleichend, zeichnen sich die Gesichtskonturen unter der vergänglichen Sand-Oberfläche ab. Ein Bild mit viel Raum zur Interpretation.

Patrick Brakowsky, SCHWARZWEISS 119
Redakteur SCHWARZWEISS, 2017

MenschenLAND
Iko Chmielewski, 2017

Der Neuenburger Urwald zieht seit fast 200 Jahren Künstler in seinen Bann. Die Urwüchsigkeit der ungebändigten Natur sind Inspiration und beliebtes Motiv, das in unzähligen Zeichnungen, Drucken und Gemälden verewigt wurde.
Im Juni 2016 arbeitet die Künstlerin Petra Lehnardt-Olm während der Neuenburger Kunstwoche Körper und Kunst im Neuenburger Urwald und der Friesischen Wehde. Wie ihre Künstlerkollegen sucht sie zunächst auch den einen Blickwinkel, der aus der reinen Natur ein Erlebnis und den besonderen Lichteinfall, der aus einem flüchtigen Augenblick eine Offenbarung macht.
Doch ihr Motiv ist nicht die Natur. Petra Lehnardt-Olm bringt statt dessen den nackten Menschen dorthin zurück und arbeitet hierfür mit verschiedenen Modellen (Menschen) zusammen – muss sich auf unterschiedliche Temperamente und Charaktere einlassen. Für eine bestimmte Mensch-Raumsituation liefert die Künstlerin eine Anfangsidee und überlässt es dann dem jeweiligen Modell sich so in die Situation einzufinden, wie es ihrem Wesen und ihrer Stimmung entspricht. In einem dynamischen Prozess entstehen Momentaufnahmen, in denen der Mensch im völligen Einklang mit der Natur, der jeweiligen Umgebung zu verschmelzen scheint. Um die Ausdrucksstärke der Fotos zu erhöhen oder den Blick des Betrachters auf das Wesentliche zu lenken, überarbeitet die Künstlerin Petra Lehnardt-Olm in einem nachgelagerten Arbeitsprozess eine Auswahl der Fotos in ihren Kontrasten und nutzt oft das Mittel der Farbreduzierung. Dennoch lassen die Fotos genügend Spielraum zu eigenen Gedanken und Interpretationen . . .  und das ist auch gut so.

Iko Chmielewski
Kulturkoordinator Zetel, 2017

setzen, stellen, legen - LEER!
   Orte in Deutschland
Angelika Liebhart, 2016

Die Künstlerin zeigte bereits in ihrer vergangenen Ausstellung „VERLASSEN – Orte in Deutschland“ ähnliche Bilder. Sie sucht – nein sie findet diese überall. Wer wie Petra Lehnardt-Olm mit offenen Augen und einem sensiblen Blick seine Umgebung wahrnimmt und sich von ihr in den Bann ziehen lässt, der kann mit diesen Zeitdokumenten ganze Geschichten erzählen. Durch ihr „digitales Auge“ festgehalten, lässt sie auch uns ihrem Blick folgen, um die vom Menschen zurückgelassenen und sich selbst überlassenen Situationen näher in Augenschein zu nehmen.
Dabei ist es nicht wichtig, ob ein Ort nun in Berlin oder Brandenburg – oder weitab davon liegt. Der gezeigte Blickwinkel der Bilder geht meist ins Detail und lässt die genaue Ortsbestimmung außen vor. Diese wird geradezu unwichtig, weil wir alle solche Orte kennen. Ein jahrelang nicht begangener Dachboden; eine unbewohnte Gartenlaube, in der noch die letzte Gartenfeier nachhallt; ein verlassenes Fabrikgelände, mit Regalen voller verrosteter Schrauben; eine Waschecke, in der sich Laub angesammelt hat - ein Innen- oder Außenbereich? Die Dreidimensionalität verschwindet. Tapeten lösen sich von den Wänden. Innen und Außen verschmelzen zu einem Gesamtbild. Dort, wo in früherer Zeit zumeist ein reges Treiben herrschte, an der Tankstelle, am Hochofen, im Materiallager, im Heizraum und im gemeinschaftlichen Waschraum herrscht heute Stille. Die einst als Sinnbild für Konsum und Werbung stehenden Schaufensterpuppen finden ein trauriges Ende in einem verlassenen Keller. Ein Kinderwagen, sonst mit Kinderlachen oder -weinen assoziiert, wurde hier kopfüber aufgehängt - / erhängt?
Setzen, stellen, legen. Viele der romanischen Sprachen, ausgehend vom Lateinischen begnügen sich mit einem einzigen Wort (ponere, posare, poser, to put). Im Deutschen werden sehr viel differenzierter unterschiedliche Begriffe für die einzelnen Zustandsformen verwendet. Und ob wir nun setzen, stellen oder legen meinen, macht doch einen großen Unterschied. Genau genommen müssen wir bei unserer Betrachtung noch weiter gehen und jeweils die Begriffe setzen - sitzen, stellen – stehen, legen – liegen gegenüberstellen. Dann stellen wir fest, dass auf der einen Seite bloße Positionsbeschreibungen vorliegen, während im Fall der Begriffe des Ausstellungstitels Positionsveränderungen beschrieben werden. So statisch, wie die Bilder auf den ersten Blick aussehen, sind sie nicht. Es geht nicht um einen Zustand, sondern um aktive Veränderung, um die Wahrnehmung der Zeit. Liegen kann etwas nur, wenn es zuvor von jemandem gelegt wurde. Aber auch durch Passivität tritt Veränderung ein, durch mangelnde Obhut und Sorge für eine Sache entsteht Verfall, der dann als Veränderungen erkennbar wird. Die leisen Töne des Verfalls wurden von Petra Lehnardt-Olm sehr poetisch und sensibel eingefangen und als fotografische Zeitdokumente eingefroren.
Den zweiten Teilaspekt des Titels „LEER“ kann man nur im Sinne von „menschenleer“ deuten. Die Bedeutung „ohne Inhalt, nichts enthaltend“ trifft für die Bilder nicht zu. Auch wenn der ursprüngliche Zusammenhang durch die Auflösung des Kontextes verloren ist, formt sich beim Betrachter ein Gefühl der Leere und Verlassenheit. Der Mensch nimmt sich zurück und beobachtet. Die Fotografin übernimmt die Rolle der Mittlerin, die mit einfühlsamem Blick uns auf die Veränderungen hinweist. Ihr Blick schaut hinter die Fassade, schaut selbst durch Mauern, schaut in die Vergangenheit und bringt uns damit auch unsere Geschichte nahe.
So sind die Bilder also nur vordergründig LEER, erzählen vielmehr sehr detailreich bewegte Geschichten. Zu den Begriffen setzen, stellen, legen möchte ich zur Vervollständigung noch das Wort hängen hinzufügen. Ich wünsche der Ausstellung viele interessierte Besucher, die sich nicht scheuen, den Blick hinter die Fassade zu wagen und die Freude beim „Betrachten der verronnenen Zeit“ verspüren.

Angelika Liebhart, Galeristin, 2016

setzen, stellen, legen - LEER!
   Orte in Deutschland
Brigitte Lange, 2016

Die Reinickendorfer Künstlerin Petra Lehnardt-Olm hat im SPD-Bürgerbüro in Berlin-Waidmannslust von Mai bis Juli 2016 neue fotografische Arbeiten gezeigt. Der Titel ihrer Ausstellung „setzen, stellen, legen – LEER! Orte in Deutschland“ knüpft an ihre Fotografie-Ausstellung „Verlassen“ vom Vorjahr am selben Ort an. Die bisher unveröffentlichten Fotografien sind eine kunstvolle, dabei immer authentische Weiterentwicklung ihrer Werkreihe zum Gebäudeleerstand in Deutschland. Petra Lehnardt-Olm gelingt es, an verlassenen Räumen und Orten eine unverstellte Ästhetik durch Leere und Verwandlung ohne eigenen Wertung sichtbar zu machen. Die Besucher fühlten sich angeregt, über Leerstand, Entwicklung und Nutzung von Standorten konstruktiv zu diskutieren. Die Künstlerin stellt mit ihren fotografischen Zeitdokumenten einen Bezug zum aktuellen Geschehen her und lädt gleichzeitig ein, hinter die Fassade zu schauen und sich mit der eigenen Wahrnehmung der Zeit auseinanderzusetzen. Ich möchte das Wirken von Petra Lehnardt-Olm unterstützen und empfehle sie gern weiter.

Brigitte Lange, MdA, kulturpolitsche Sprecherin
der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, 2016

setzen, stellen, legen - LEER!
   Orte in Deutschland
Andreas Geisel, 2016

Als Fortsetzung der Fotografie-Ausstellung „VERLASSEN“ hat die Reinickendorfer Künstlerin Petra Lehnardt-Olm von Mai bis Juli 2016 im SPD-Bürgerbüro in Berlin-Waidmannslust fotografische Arbeiten unter dem Titel „setzen, stellen, legen – LEER! Orte in Deutschland“ gezeigt. Am 7. Juli 2016 habe ich diese Ausstellung besichtigt und empfehle ihre Arbeit aufgrund der sehr überzeugenden Weiterentwicklung ihrer Werkreihe zum Gebäudeleerstand in Deutschland weiter. Die Fotografien von Petra Lehnardt-Olm sind Zeitdokumente mit Bezug zum aktuellen Geschehen, sie machen aufmerksam und fordern auf zu Blickwechseln und intensiven Diskussionen. Für mich war dieser Besuch der Folgeausstellung ausgesprochen interessant. Ich wünsche der Künstlerin noch viele weitere Gelegenheiten, ihre Werke zu zeigen und unterstütze ihre Arbeit gerne.

Andreas Geisel
Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, 2016

WASSER
Edda Grossmann, 2015

Kunst ist für mich, den Alltag mit anderen Augen zu betrachten und so die Aufmerk-
samkeit für alles, was selbstverständlich geworden ist zu erhöhen
, sagt die in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin Petra Lehnardt-Olm.

Als ich mir zum ersten Mal das Kalenderblatt Januar mit dem poetischen Titel Stilles Weiß anschaute, wurde mir unmittelbar bewusst, dass Wasser an sich weder Farbe, Form noch Klang hat. Bei der Betrachtung aller dreizehn stillstehenden Fotos zum Element Wasser machte ich als Malerin die Erfahrung, dass mein Sehen sich veränderte; ich sah plötzlich mit anderen Augen.
Als Materie ist Wasser die Voraussetzung alles Lebendigen, Wasser ist aber auch, wie jeder weiß, in der Lage zu zerstören und zu töten. Die Fotos von Petra Lehnardt-Olm spielen mit dieser abgründigen Doppeldeutigkeit, indem sie diese in statische Bilder verwandelt. Das nasse Element des Wassers verwandelt sich in den Augen des Betrachters damit zum Bild. Als Wiedererkennung oder inhaltliche Orientierung hat die Künstlerin den Fotos kurze beschreibende Titel beigegeben, wie zum Beispiel im Dezemberblatt Atlantik bei Ebbe. Beinahe unmerklich entwickelt sich beim Betrachter eine zeitlose Innenschau, die den wandernden fotografischen Blicken Petra Lehnardt-Olms folgt. Es entsteht die Bildbotschaft, als könne Wasser unendlich viele Windungen durchlaufen, aber die Richtung zum ewigen Ziel, dem Meer, dabei nicht verfehlen.
Ein Fotokalender entblättert sich üblicherweise als ein zeitgerafftes, vollendetes Jahr. Der Titel des Kalenders Wasser assoziiert indessen die Möglichkeit, bei den zwölf Momentaufnahmen inne zu halten, um der fließenden Zeit im Bild des Wassers Einhalt zu gebieten, denn nur die Kunst kann dem „Panta rhei“ (alles fließt) der Zeit entkommen.

Edda Grossman, Künstlerin, 2015

VERLASSEN
Caroline von Lengerke-Schröder, 2015

Petra Lehnardt-Olm lässt den Blick dort ruhen, wovon andere sich längst abgewandt haben. Ihre Fotografien führen uns an Orte des Verlassen-Seins, des Verlassen-Werdens, des Verlassens. Ihr Blick ruht offen, wie wartend auf diesen Orten, wie auch diese selbst ruhen –zurückgelassene Zeugen von etwas, das an ein Ende gekommen ist. Ihr Blick gibt uns Raum und Zeit, uns einzuleben – und plötzlich kann etwas Neues in Erscheinung treten: da gerät etwas in Bewegung, wird etwas wie Aufbruch spürbar. Diesmal aber ist es nicht der Eindruck eines Gegebenen, das außerhalb des Betrachters vorhanden ist. Stattdessen taucht jetzt von innen heraus, wie vor einem inneren Blick etwas auf, das nach dem Vorher und Nachher zu fragen beginnt. Durch das Nadelöhr des ruhigen, urteilsfreien Blickes kann plötzlich im Verkommenen die Schönheit in Erscheinung treten, gerät das scheinbar Statische unversehens in Bewegung, wird im Zuende-Gekommenen ein Anfang spürbar, wird im Verlassenen Vergangenheit und mögliche Zukunft lebendig – kurz: Betrachtung wird zur Aktivität.
In einer Zeit der allgegenwärtigen Manipulation durch Bilder erzählen die Fotografien Petra Lehnardt-Olms authentische Geschichten, die den Betrachter einladen, selbst innerlich schöpferisch Anteil zu nehmen.

Caroline von Lengerke-Schröder, Tanzforscherin und Eurythmistin, 2015

VERLASSEN
Brigitte Lange, 2015

Die Reinickendorfer Künstlerin Petra Lehnardt-Olm hat im SPD-Bürgerbüro in Berlin-Waidmannslust Werke des Zyklus "VERLASSEN" von März bis Juni 2015 gezeigt. Ihre Arbeiten zum Gebäudeleerstand in Deutschland haben einen gesellschaftspolitischen Bezug, sie ermöglichen dem Betrachter einen individuellen Zugang über "Sehen und Fühlen" zum aktuellen (politischen) Geschehen. Die Ausdruckskraft dieser Werke, die sich in der positiven Resonanz beim Publikum sowie in vertiefenden Diskussionen zeigte, hat mich veranlasst, eine weitere Ausstellung zu diesem Thema im Frühjahr 2016 - als Weiterentwicklung - durchzuführen. Ich möchte das Wirken von Petra Lehnardt-Olm unterstützen und empfehle sie gern weiter.

Brigitte Lange, MdA, kulturpolitsche Sprecherin
der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
, 2015

VERLASSEN
Andreas Geisel, 2015

Die Reinickendorfer Künstlerin Petra Lehnardt-Olm hat im SPD-Bürgerbüro in Berlin-Waidmannslust Werke des Zyklus "VERLASSEN" von März bis Juni 2015 gezeigt. Zur Finissage am 26. Juni 2015 war ich als Gastredner eingeladen und konnte mich vom gesellschaftspolitischen Bezug ihrer Fotografien zum Gebäudeleerstand in Deutschland überzeugen. Ausgehend von der Fotografie eines mir bekannten Gebäudes in Berlin, zu dessen früherer Nutzung ich näheres berichtete, entwickelten sich interessante Gespräche über die Zwischen- und Nachnutzungen verlassener Gebäude. Petra Lehnardt-Olm gelingt es mit ihren künstlerischen Mitteln, Fotografien mit nachhaltigem Dokumentationscharakter zu schaffen. Gern unterstütze und empfehle ich die Arbeiten von Petra Lehnardt-Olm weiter.

Andreas Geisel
Senator für Stadtentwicklung und Umwelt
, 2015

Transparenz und Raum
Thomas Rieser, 2014

Für Petra Lehnardt-Olm birgt das Verdeckte, Verwelkte und Zerbrochene Eingänge in Erzählungen. Es sind Geschichten von Räumen, die sich entfalten und neue Grenzen schaffen, wodurch sich unsere Ansichten öffnen und anders als gewohnt wieder zusammensetzen. Lehnardt-Olm schaut dorthin, wo wir unseren Blick weiterziehen lassen. Sie lässt sich auf Orte ein, deren Reiz sich durch das Zusammenspiel mehrerer Ebenen ergibt. Mit Zeit und Ruhe spiegeln sich Ansichten wieder, die Momente von Geschichten in sich tragen. Es sind Erzählungen, die es vorher so nicht gab, und die sich bei jedem anders weiterspinnen, wenn wir so zum Tag- und Nachtträumen angeregt und verleitet werden. Mit den Bildern bekommen wir Zeit geschenkt, unsere Gedanken schweben, und den Tag, die Monate und das Jahr mehr als bloß Möglichkeiten für Termine sein zu lassen.

Thomas Rieser, Kunstwissenschaftler, 2014

Zeit
Alexandra Sonntag, 2013

Betrachte ich die Zeichnungen, Objekte und Installationen von Petra Lehnardt-Olm, muss ich an Spuren denken, an Einschreibungen, an Datierungen oder auch an Gegenstände und Untersuchungen aus dem Bereich der Archäologie. Petra Lehnardt-Olm beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit dem Gegenstand und seiner Kontextgebundenheit und damit selbstverständlich auch mit dessen materieller Beschaffenheit.

Mir scheint der Faktor Zeit dabei als ein ganz wesentlicher Aspekt ihrer Herangehensweise in den Vordergrund zu treten. Zeit als der große Dramaturg bei der Veränderung von Fundstücken durch witterungsbedingte Erosion und Oxidation sowie Verwesung. Zeit als Idee eines linear chronologischen Ablaufs, der sich in Form eines Erinnerungsspeichers im Gegenstand manifestiert.

Zeit aber auch als Spur des künstlerischen Arbeitsprozesses auf dem Blatt, auf der Leinwand, sogar als prozessuale Einschreibung in das Werk. Wenn der Knochen wie in einer Rollbewegung über die Leinwand gelaufen zu sein scheint, und der gesamte Bewegungsablauf sowie die dafür benötigte Zeitspanne zeichnerisch dokumentiert sind. Oder etwa, wenn jedes Wirbelknöchelchen am Objekt sorgfältig zeichnerisch benannt ist, der Prozess buchstäblich eingeschrieben ist. Schließlich die Überarbeitung von Knochen und Geweihen, die Schicht um Schicht den künstlerischen Prozess dokumentiert und so das Objekt hinter seine Ummantelung zurücktreten lässt.

Womit wir bei den Metamorphosen sind, die der Bildgegenstand der Zeichnung wie auch das Objekt im Werk von Petra Lehnardt-Olm durchlaufen. Zufällig Gefundenes – auch Fetzen - werden geborgen und sorgfältig in die Komposition eingefügt, dabei bewegt sich der zeichnerischen Gestus zunehmend Richtung Auflösung der Form. Es wird geschichtet, übereinander gelegt, wieder ausgekratzt. Fast immer bleiben Spuren der verschiedenen Arbeitsphasen sichtbar. Wie ein Archäologe hat der Betrachter die Möglichkeit, das Artefakt zu lesen, Herkunftsquellen auszumachen und den Bezugsrahmen, in den es die Künstlerin gehoben hat, zu interpretieren.

Alexandra Sonntag, Künstlerin, 2013

Fundstücke, Metamorphosen
   und Zeitspuren

Dagmar Röpke, 2013

Der Titel ist umfassend, vielfältig. Er ist ein tatsächliches Abbild der Arbeiten von Petra Lehnardt-Olm. Die „Fundstücke“ stehen als erstes im Titel. Mit ihnen fängt vieles an – im Werk der Künstlerin – im Leben überhaupt? Diese Fundstücke setzt sie neu zusammen. (...)  Es finden Metamorphosen statt. Umwandlungen, bei denen Spuren aus allen Phasen sichtbar bleiben. Zeitspuren. (…) "Fundstücke, Metamorphosen und Zeitspuren": das finden wir in Malerei, Zeichnung, räumlicher Arbeit und Grafik. Das Entstehen von Neuem geschieht sowohl auf einer inneren – nicht sichtbaren - Ebene, als auch auf auf einer äußeren – sichtbaren – Ebene. Wir spüren das Fließende, die ständige Veränderung, die kostbaren Augenblicke. Wir spüren Vergänglichkeit, Absterben, Auflösung. Wir spüren den Lebenskreislauf des Werden und Vergehens. (…) Es gibt keine Endgültigkeit: das ist für mich eine Botschaft ihrer Werke. Die Künstlerin lädt uns ein, offen zu sein, für das, was kommen wird. Sie ist eine Suchende und Findende. Zeit: das ist für mich die andere zentrale Botschaft der Werke von Petra Lehnardt-Olm. Und so möchte ich mit ganz persönlichen Worten schließen: Seitdem ich sie kenne, bleiben meine verblühten Blumen länger auf dem Tisch stehen und: mein  Blick in den Spiegel ist wohlwollender geworden!

Damar Röpke M.A., Germanistin, 2013

EROTIK MANN
Dr. Matthias Brück, 2013

Dabei ist es schon erstaunlich, wie gerade bei den Photographien, die Schwarz-Weiß-Modellierungen eine fast magische, ursprungs-vitale Dynamik entfalten. Wie sich der Mensch, der Mann, aus dem Verhaftet-Sein mit der Natur zu lösen scheint.

Dr. Matthias Brück, Kunstvereins Wörth
im Alten Rathhaus Wörth am Rhein, 2013

Leben – Dialog mit der Natur
Christiane Hoff, 2011

Für die Künstlerin Petra Lehnardt-Olm ist Natur die Dialogpartnerin und die Zwiesprache zwischen beiden sehen wir hier übersetzt in ihre Bilder. Ich habe mir versucht vorzustellen, wie diese Bilder entstanden sein könnten, und obwohl ich natürlich weiß, dass der Schaffensprozess das Geheimnis der Künstlerin bleiben wird, so bin ich doch überzeugt, dass er einer unerlässlichen Voraussetzung bedurfte: des inneren Schweigens.

Die Formulierung Der Natur abgelauscht drängt sich geradezu auf, denn nur dann scheint es mir möglich, die Zeichen der Natur verstehen zu können: ihre Töne – die im Wortsinne und die übertragenen als vielfältige Farbschattierungen, ihr Licht, das die unterschiedlichsten Stimmungen - auch in uns selbst - erschafft, und natürlich die vorgefundenen belebten und unbelebten Objekte. Die Antwort auf diese zahlreichen Gesprächsangebote der Natur ist die eigene, unverwechselbare Bildsprache der Künstlerin Lehnardt-Olm, und jedes ihrer Bilder spricht so ihre eigene Wahrheit aus. Und wie in einem guten Gespräch werden Gedanken aufgenommen und weitergesponnen oder Angebote werden gegeneinander gestellt, unter einem neuen Blickwinkel betrachtet und so verfremdet. Das alles hat Esprit in den Bildern von Petra Lehnardt-Olm, hat Ernsthaftigkeit und doch gleichzeitig auch Leichtigkeit, was natürlich Ausdruck ihres Könnens ist. (...)

Wir alle sind Teil eines großen unendlichen Naturkreislaufes, und wenn der Mensch mit fortschreitenden Erkenntnismöglichkeiten der klassischen Naturwissenschaften seit dem 20. Jahrhundert sich auch häufig als quasi außerhalb der natürlichen Welt stehend, gleichsam als allwissend begreift, so ist dies doch ein verhängnisvoller Irrtum, dessen Zeugen wir alle sind, denn dieser Irrtum hat weltweit zu Klimawandel und Klimakatastrophen geführt. Es muss demnach zu einem neuen Dialog zwischen Mensch und Natur kommen, gerade jetzt als einem Zeitpunkt, an dem die wissenschaftliche Entwicklung und die menschliche Zukunft so schicksalhaft miteinander verknüpft sind.

Alles Gedanken, die mir kommen, wenn ich als Betrachterin in einen inneren Dialog mit den Bild- Gesprächsangeboten von Petra Lehnardt-Olm trete. Oder ein anderer Aspekt: Auf dem Wege hierher heute Abend durch die höchst zugige neue Mitte Berlins am Potsdamer Platz, wo einem – zumindest bei diesen Temperaturen – der Wind gehörig um die Ohren pfeift, so dass einem unwillkürlich der Hölderlin-Vers „Im Winde klirren die Fahnen“ aus „Hälfte des Lebens“ in den Sinn kommt, wo Bäume verlassen als Solitäre in ansonsten versiegelte Flächen eingelassen stehen, da verweisen diese Bilder vielleicht auch ein wenig auf urbane Defizite, will heißen auf mangelnden Dialog mit der Natur von Städteplanern, jedenfalls in meinem Verständnis.

Insofern freut es mich als Kulturpolitikerin im Bezirk Mitte ganz besonders, dass Petra Lehnardt-Olm mit ihren Bildern inmitten dieses Glas- und Stahlrefugiums des Potsdamer Platzes eine andere Lebens- Sicht eingebracht hat. Auf ihre künstlerischen Dialogangebote habe ich mich gern eingelassen, und da das Wort Kultur ja vom lateinischen cultus kommt und Verehrung einer Gottheit, Hege und Pflege des Körpers und des Geistes bedeutet, weiß ich auch um die Verpflichtung, die Politik hat, diesen dialogischen Prozess zwischen Künstler und Rezipient zu hegen und zu pflegen. Dies ist häufig, aber eben nicht nur eine finanzielle Frage, auf jeden Fall aber ist es immer eine Frage des Zuhören-Könnens und –Wollens – dies auf beiden Seiten, denn nur so entsteht ein wirklicher Dialog. (...)

Christiane Hoff
Theaterwissenschaftlerin, Vorsitzende
des Ausschusses für Bildung und Kultur in Berlin Mitte, 2011

Leben
Dr. Karla Bilang, 2010

Die Künstlerin wendet sich dem Thema Leben in einem erweiterten, nicht allein auf den Menschen bezogenen Zusammenhang zu. Den Lebenskreislauf versteht sie als einen Naturkreislauf, in dem das Werden und Vergehen beständig stattfindet. Sinnfällig wird dieser Gedanke bereits in den früheren großformatigen Blumenbildern, in denen eine einzelne mehrfach vergrößerte Blüte die Entfaltung und das Vergehen des Lebens symbolisiert: Neben dem Bild „Erwachen“ (1997) mit der sich öffnenden Mohnknospe steht das Bild „unvermeidlich“ (2001) mit den verwelkten Blütenblättern einer Tulpe. Erwachen und Absterben werden als Aktionen begriffen und groß ins Bild gesetzt. Das Absterben nimmt als Prozess der Formveränderung surreale Züge an, die bis zur Unkenntlichkeit gehen und zugleich einen eigenen ekstatischexpressiven Charakter tragen.

Das Motiv der Auflösung der Form und deren einheitlicher Oberfläche tritt so schon in der Malerei der früheren Bilder zutage. In den Bildern neueren Datums ist die Gegenstandsbindung von vornherein nur fragmentarisch vorhanden und kaum evident. Vielmehr ist ein malerischer Grund aus Farbklängen angelegt, auf dem sich dann zeichnerisch ein abstrakt-lyrisches Motiv entwickelt oder auch einzelne Tiere, beispielsweise ein Frosch oder ein Chamäleon, hervortreten können. Allen diesen neueren Bildern ist ein offenes Arbeiten und eine leichte Hand anzumerken. In ihnen wird Leben als etwas Fließendes, als eine ständige Veränderung, als ein Provisorium aus kostbaren Augenblicken dargeboten. Es gibt nicht das eine endgültige Lebensbild, in dem alles gesagt wird. Es gibt vielmehr unzählige Facetten und Bildmomente, in denen die Spuren des Lebens eingefangen werden. Zu diesen Spuren gehören das zufällig an einem Ort zu einer bestimmten Zeit gefundene kleine Etwas, ein Papierfetzen, ein Stück Zeitung, das Morgenlicht, die Nachtgedanken, die Farben der Sonne, der Erde, des Strandes. Die äußere und die innere Welt kommunizieren miteinander und lassen die rasch notierten Bilder in einem Schwebezustand zwischen Fantasie und Realität entstehen. Dieser leichte und entspannte Duktus ist in den Serien „Lebenszeit“ (2009), „Fundstücke“, „Sonnenzeichen“, „Reisebriefe“ (alle 2010) spürbar.

Die künstlerische Arbeit selbst wird als ein Prozess erlebbar, als ein Arbeitsvorgang in mehreren Schichten, die häufig durch Auskratzen und Riefen wieder freigelegt werden. So ist das archäologische Prinzip des Verdeckens und des Freilegens in den Schaffensvorgang integriert und es werden gewachsene Kulturschichten hinterfragt, Bestehendes wird wieder aufgelöst und Brüche werden sichtbar gemacht. Auch hierin ist unschwer ein Gleichnis zum Leben und zu den Lebensverläufen, sprich Biografien, zu erkennen.

Die Installationen mit Tierknochen stellen die Frage nach der Materie, die den physischen Tod am längsten überdauert. Aus der Forschung wissen wir, dass im Knochen der genetische Code des einstigen Lebewesens Jahrtausende überdauert und heute noch von den Spezialisten gelesen werden kann. So können selbst in einem winzigen Knochensplitter alle wesentlichen genetischen Informationen über das einstige Tier oder den einstigen Menschen gespeichert sein. Die Künstlerin collagiert einzelne Teile der Tierknochen und Schädel und erinnert damit an die Technik der Mumifizierung, die im alten Ägypten bei verstorbenen Personen und auch bei heiligen Tieren angewendet wurde. Der so mumifizierte Knochen wird mit Linien und schriftähnlichen Zeichen versehen – ein Hinweis auf die Funktion des Knochen als Informationsträger.

Schädel, Skelett und Knochen sind ebenso wie Pflanzen oder Stundenglas typische Attribute der Vanitas- Allegorie, die in der abendländischen Kunst speziell im Mittelalter und im Barock anzutreffen war. Vor allem in Zeiten der Pest kam es zu häufigen Darstellungen der Totentanz-Thematik. So gesehen greift die Künstlerin mit ihrer Lebenskreisthematik einen traditionellen Motivkanon unserer Kultur auf, der durch die aktuelle Medien- und Unterhaltungskultur meistenteils ausgeblendet wird. Insbesondere mit den Möglichkeiten der künstlerischen Fotografie geht Petra Lehnardt-Olm den weitgehend tabuisierten Themen wie Alterung, Tod und Verfall nach. Hier ist die Konfrontation oft unmittelbar und provozierend; andererseits weiß die Künstlerin durch die Wahl des Ausschnittes dem Thema gerecht zu werden.

Dr. Karla Bilang, Kunstwissenschaftlerin, 2010

Hautnah
Petra Severin, 2003

Ausschnitthaft werden Details auf große Formate gebannt, Überreste von Tieren, Bäume und menschliche Körper unter die Lupe genommen. Dabei macht der Gegensatz, kleine Dinge, Ausschnitte großformatig zu inszenieren, den eigentümlichen Reiz der Bilder aus.

Dass die Bilder dennoch nicht distanzlos wirken, hat mit dem Blick zu tun, den die Künstlerin auf Bäume, Tiere und Menschen wirft. Der Blick hat nichts Glattes oder Geschöntes, trotz aller Nähe nichts Sezierendes oder Bloßstellendes. Zum einen sind nicht - wie bei einer realistischen Darstellung - alle Einzelheiten zu erkennen, zum anderen vermitteln z.B. kühle blaue und violette Töne die nötige Distanz. Die Farbe hält auf Abstand. Zusätzlich muss der Betrachter Abstand vom Bild nehmen, wenn er die Motive erkennen möchte. Er stellt also selber die Distanz her, die der Gegenstand im Bilde braucht, um wieder als Ganzes wahrgenommen zu werden.

Dabei ist nicht nur der Tonwert der Farbe entscheidend. Statt mit graphischen Linien strukturiert die Malerin die Oberfläche der Gegenstände mit einzelnen Farbfeldern, die sich erst durch die Entfernung im Auge des Betrachters zusammensetzen. Und noch eine Funktion hat die Farbe: sie schafft Stimmungen und Atmosphäre über den ihr jeweils zugeordneten Tonwert. Nehmen wir z.B. die Eidechse: losgelöst von irdischer Schwere schwebt das Skelett im Raum. Einzelne Körperteile wiederholen sich fragmentarisch im Hintergrund in sphärisch klingenden Grüntönen.

Anderen Tiermotiven fehlt der Eindruck von Leichtigkeit. Sie dokumentieren eher einen Status der Verwesung. Gekümmt, gebogen, platt mit aufgeplatzter Haut werden sie in den verschiedenen Stadien ihrer Vergänglichkeit gezeigt. Der überrollte Frosch mit aufgerissener Hülle, die das Muskelfleisch freilegt, das als erstes zersetzt wird und am Ende steht das Skelett, das als letztes zu Staub zerfallen wird. Sie sind ihrer Haut entledigt, schutzlos dem Prozess der Auflösung ausgeliefert. Denn die Haut, die physische Grenze zwischen Körper und Umwelt, ist nicht mehr intakt oder bereits gänzlich verschwunden.

Was vom Leben übrig bleibt: die schrumpelnden, müllreifen Überreste üben eine magische Anziehungskraft auf Petra Lehnardt-Olm aus. Als aufgelesene Impressionen ins Bild gesetzt, unter dem besonderen Blickwinkel der Künstlerin entwickeln sie eine bizarre Schönheit. Den so dargestellten Lebewesen wird damit auch in Bezug auf ihre vergängliche Seite Respekt gezollt. (...)

In der Gestaltung ihrer Oberfläche - der pflanzlichen Haut - aber zeigt Petra Lehnardt-Olm - parallel zu den tierischen und menschlichen Körpern - deren ureigensten Lebensspuren, die sie mit Fragmenten aus selbstverfassten Texten verwebt, so dass sich im Bild Worte als Spuren ihrer Selbst visualisieren. Die Künstlerin erliegt der Faszination des Lebens mit all seinen Äußerungen und seinem Wandel, der Narben und Zeichen auf der Außenhaut eines jeden Lebewesens hinterlässt. Auf der Haut wird alles sichtbar: wie wir leben, was wir essen, was wir fühlen. Mit wachem Geist und wachen Augen betrachtet sie mit liebevoller Leidenschaft die Natur und ihre Lebewesen und nimmt dadurch mehr als nur ihre Oberfläche wahr. Für sie ist die Vergänglichkeit unabdingbarer Bestandteil des Lebens - bei dem am Ende nichts wirklich vorbei ist, sondern sich nur in Erscheinungsform und Bestimmung ändert. Für sie und ihre Kunst gilt uneingeschränkt der Satz von Henri Matisse: “Wenn wir von Natur sprechen, dürfen wir nicht vergessen, daß wir ein Teil von ihr sind und dass wir uns selbst mit der gleichen Neugierde und Offenheit betrachten sollen, mit der wir einen Baum, einen Himmel oder einen Gedanken studieren, den wir sind an das ganze Weltall gebunden.”

Petra Severin, Kunsthistorikerin, 2003

end faq